Wolfen (Mediabook Blu-ray+DVD)
Wolfen (Mediabook Blu-ray+DVD)
USA 1980
Regisseur: Michael Wadleigh
Darsteller: Albert Finney, Diane Venora, Edward James Olmos, Gregory Hines
Sprachen:
Deutsch (Linear PCM 2.0 Mono)
Englisch (Linear PCM 2.0 Surround)
Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 2.40:1 (16:9)
Filmlänge: ca. 114 Minuten
PLAION PICTURES
In den verfallenen Straßenschluchten des damaligen New York wird eine grausam zugerichtete Leiche gefunden – das Opfer eines anscheinend tierischen Angriffs. Doch bald häufen sich ähnliche Fälle, und Detective Dewey Wilson (Albert Finney) wird auf eine Spur geführt, die weder in die Welt der gewöhnlichen Verbrechen noch der Mythen passt.
Die Ermittlungen führen Wilson und die Kriminalpsychologin Rebecca Neff (Diane Venora) in das Herz eines heruntergekommenen South Bronx, wo ganze Viertel in Trümmern liegen und nur noch Obdachlose, Indianer und Außenseiter leben. Dort trifft Wilson auf Eddie Holt (Edward James Olmos), einen mysteriösen Native American, der andeutet, dass die Angreifer nicht bloß Tiere sind – sondern uralte, intelligente Wesen: die Wolfen, Hüter eines vorzeitlichen Gleichgewichts, das der Mensch durch seine Zerstörung der Natur längst gebrochen hat.
„Wolfen“ ist kein klassischer Werwolf-Film, sondern ein urbaner Öko-Thriller mit spiritueller Dimension. Die Bedrohung ist nicht übernatürlich im Sinne des Horrorfilms, sondern eine Rückkehr der Natur selbst – die Reaktion einer Welt, die sich gegen den Menschen wendet.
New York ist hier kein urbanes Zentrum mehr, sondern ein postindustrielles Trümmerfeld. Der Film entstand in einer Zeit, als die Bronx tatsächlich als gefährlichster Stadtteil Amerikas galt – voller leerstehender Gebäude, sozialer Not und Verfall. Diese Realität macht Wolfen beklemmend authentisch: Er ist zugleich Kriminalfilm, Sozialdrama und metaphysischer Thriller.
Wadleigh verwebt indianische Mythen mit ökologischen Warnungen: Die Wolfen sind keine Monster, sondern eine evolutionäre Kraft, die das Gleichgewicht wiederherstellen will. Es ist eine zutiefst moralische Geschichte, die zeigt, dass die wahre Bestie nicht das Tier, sondern der Mensch ist, der alles zerstört, was ihn umgibt.
Visuell ist Wolfen von bemerkenswerter Originalität. Kameramann Gerry Fisher experimentierte mit Spezialobjektiven und Wärmesichtfiltern, um die subjektive Wahrnehmung der Wolfen darzustellen – flirrende, pulsierende Bilder, in denen Wärmequellen und Bewegungen überlebensgroß erscheinen. Diese POV-Sequenzen gehören zu den eindrucksvollsten Momenten des Films und waren für ihre Zeit revolutionär.
Der Schnitt – bewusst rhythmisch und unruhig – vermittelt die Unsicherheit des Protagonisten, der die Grenzen zwischen Realität und Mythos nicht mehr klar erkennt. Die Musik von James Horner, einer seiner frühesten Filmkompositionen, unterstreicht das Unheimliche mit sphärischen Klängen und tribalistischen Percussions – eine Vorahnung auf die Klangwelten, die Horner später in Aliens oder Legends of the Fall perfektionierte.
Wolfen verweigert die üblichen Schauwerte des Horrorfilms. Es gibt keine reißerischen Schockmomente, keine übertriebene Gewalt. Stattdessen baut Wadleigh auf Atmosphäre, Schatten, Lautlosigkeit – und auf die Macht der Andeutung. Wenn sich die Wolfen zeigen, dann majestätisch, fast ehrfurchtgebietend, als Verkörperung einer Natur, die der Mensch vergessen hat.
Albert Finney trägt den Film mit stoischer Ruhe und leiser Melancholie. Sein Dewey Wilson ist kein Superheld, sondern ein nachdenklicher, müder Cop, der mehr sehen und verstehen will, als ihm seine Rationalität erlaubt. Finney spielt ihn mit Intelligenz und Tragik – als Mann, der in den Ruinen seiner eigenen Zivilisation nach Sinn sucht.
Diane Venora überzeugt als moderne Wissenschaftlerin, die versucht, zwischen Logik und Mythos zu vermitteln.
Edward James Olmos gibt der Figur des Eddie Holt eine faszinierende Doppelbödigkeit: Halb Schamane, halb Krieger, ist er das spirituelle Gewissen des Films.
Auch Gregory Hines als Forensiker bringt eine menschliche Note in die düstere Geschichte.
Wolfen ist ein unterschätztes Meisterwerk, das sich jeder klaren Genrezuordnung entzieht. Wadleigh verknüpft Elemente des Polizei-Thrillers mit ökologischer Parabel und spirituellem Mystizismus. Dabei vermeidet er einfache Antworten – die Wolfen sind weder Gut noch Böse, sie sind notwendig.
Der Film spiegelt die Ängste der frühen 1980er-Jahre wider: die Angst vor Entfremdung, vor dem Verlust natürlicher Ordnung, vor einer Zukunft, in der der Mensch zum Fremdkörper im eigenen Ökosystem wird. In dieser Hinsicht ist Wolfen aktueller denn je.
Auch filmhistorisch hat das Werk eine besondere Stellung. Es war Wadleighs erster und einziger Spielfilm – ein ambitioniertes Projekt, das wegen Studiointerventionen (United Artists) in der Postproduktion stark gekürzt wurde. Dennoch ist die finale Fassung erstaunlich kohärent und kraftvoll.
Das Mediabook bietet ein hochwertiges HD-Master, das auf einer neuen 2K-Abtastung basiert. Das Bild zeigt feines Filmkorn, natürliche Farben und beeindruckende Tiefenschärfe. Besonders die nächtlichen Szenen in der Bronx profitieren von der besseren Schwarzwertabstufung – Details in dunklen Bereichen sind nun klar erkennbar.
Die Tonspuren liegen in Dolby Surround vor. Die englische Originalfassung klingt etwas offener und räumlicher, während die deutsche Synchronisation sauber, aber etwas frontlastig bleibt. Die Dialoge sind klar verständlich, der Score von James Horner gut ausbalanciert.
Das Mediabook enthält zudem lohnenswerte Extras:
„Tales from the City“ – ein informatives Making-of, das Einblicke in die aufwendige Dreharbeit in der Bronx bietet.
Ein Interview mit Tom Noonan, der über seine Erfahrungen mit Wadleigh spricht.
Trailer, Teaser und eine Bildergalerie.
Ein ausgezeichnetes Booklet mit Essays von Stefan Jung und Marcus Stiglegger, die den Film analytisch in die politische und gesellschaftliche Zeit einordnen.