Das Mädchen von der Weltausstellung Gesamtausgabe
Von Manini, Willem
Hardcover, 196 Seiten, farbig
€ 42,00
ISBN 978-3-949987-73-1
Zack Edition
Als großer Fan von franko belgischen Historiencomics habe ich lange auf diese Gesamtausgabe gewartet – und ich kann nur sagen: die Lektüre ist ein Erlebnis, das in jeder Hinsicht überzeugt. „Das Mädchen von der Weltausstellung“ verbindet packende Unterhaltung mit einer historischen Epoche, die im Medium Comic bisher erstaunlich wenig Beachtung gefunden hat: das Zweite Kaiserreich unter Napoleon III.
Jack Manini entführt uns mit seinen Szenarien in das Paris der großen Weltausstellungen von 1855, 1867 und 1878. Er stellt die Hellseherin Julie Kleinnagel ins Zentrum der Geschichten, eine charismatische Heldin, die mit Witz, Mut und Intuition durch ein Dickicht aus Intrigen, Dramen, Diebstahl und sogar Mord navigiert. Wer sich für das historische Paris interessiert, wird diese Reihe lieben – denn hier erwacht die Metropole in einem spannungsgeladenen Kontext zu neuem Leben. Tatsächlich erinnert die Atmosphäre an filmische Werke wie Veit Harlans „Verwehte Spuren“ (1938), der das Paris der Weltausstellung in den Berliner Studios beschwor – und der in seiner Intensität bis heute unerreicht bleibt. Das spätere Remake „Paris um Mitternacht“ (1950) mit Jean Simmons und Dirk Bogarde (Regie: Terence Fisher und Anthony Darnborough) wirkte dagegen blasser. Genau an dieser Stelle zeigt der Comic seine Stärke: er erreicht jene Lebendigkeit, die das Kino dem Thema zuletzt nur unzureichend bieten konnte.
Ein ganz wesentlicher Teil des Zaubers geht dabei auf die Zeichnungen von Étienne Willem zurück. Sein Strich ist locker, aber voller Energie. Gesichter und Körper wirken überaus ausdrucksstark, so dass man beim Lesen fast das Gefühl hat, sich in einem Film zu befinden – jede Geste, jeder Blick, jede Bewegung ist voller Dynamik. Gleichzeitig entfaltet er Kulissen, die Paris jener Zeit beeindruckend wiederaufleben lassen: breite Boulevards, prachtvolle Ausstellungspavillons, die Mischung aus mondäner Eleganz und brodelnder Urbanität.
Doch ohne die Farben von Tanja Wenish würde dieses Werk niemals so strahlen. Schon mit Serien wie „Die Flintenweiber“ und „Das Paris der Wunder“ hat sie bewiesen, dass sie eine Meisterin darin ist, historischen Comics die richtige Stimmung zu verleihen. Hier bringt sie die Szenen förmlich zum Leuchten – das warme Gold der Gaslaternen, das kühle Blau der Pariser Nächte, das glänzende Glas und Eisen der Ausstellungsbauten. Jede Seite ist ein visuelles Fest, das die Atmosphäre nicht nur illustriert, sondern spürbar macht. Mein Highlight sind ohne Frage die Visionen, besonders Ende des zweiten und Anfang des dritten Albums
Besonders hervorheben möchte ich auch den redaktionellen Teil der Gesamtausgabe: 20 Seiten mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Weltausstellungen. Diese Ergänzungen machen das Buch nicht nur zu einem Comic, sondern zu einer kleinen Zeitreise, die auch geschichtlich Interessierte begeistern wird. Fotos der Ausstellungen gubt es ja, aber leider nur sehr rar, was diese Ausstellungen zu ihrer Zeit bedeutet haben, geht vermutlich weit über das hinaus, was heute solche Ausstellungen bedeuten, eine Märchenwelt der Technik des 19 Jahrhunderts.
Mit 196 farbigen Seiten im hochwertigen Hardcover ist dieses Buch ein Prachtstück für jedes Comicregal. Es vereint drei spannende Alben und liefert zugleich historisches Wissen, das man in dieser Form selten findet.
Für mich ist „Das Mädchen von der Weltausstellung“ ein Meisterwerk, das zeigt, was franko belgische Comics können: große Geschichte mit persönlichem Drama verweben, visuell verführerisch erzählt und mit einem Herz für Details. Wer Paris liebt, wer sich für das Flair vergangener Zeiten begeistert oder einfach einen großartigen Abenteuercomic sucht, kommt an diesem Band nicht vorbei.